Viel Strache
Heinz-Christian Strache hat seit 2023 eine regelmäßige Kolumne und darf als „Freidenker“ immer wieder mal über sein Schicksal als „Opfer“ von „konstruierten Anschuldigungen der Ibiza-Video-Fallensteller“ jammern.
Straches rechtsextreme Sekte, das Team HC Strache (THC), vegetiert seit dem gescheiterten Antreten bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020 (3,3 %) zwar unter jeglicher Wahrnehmungsgrenze – mit einer Ausnahme: „Das Wien“ öffnete seine üblicherweise bezahlten Spalten immer wieder dem THC. Da durften sich neben Strache auch der THC-„Generalsekretär“ Christian Höbart und der einstige THC-Kandidat und Polizist Zoran Kovacevic, der schon früher mit einem revisionistischen Posting aufgefallen ist, seitenweise ausbreiten.
Kennzeichnungspflicht außer Kraft?
„Das Wien“ ist eine Gratiszeitung. Aber auch für Gratiszeitungen gibt es eine Pflicht zur Kennzeichnung von bezahlten Einschaltungen. Nur dann, wenn die Werbung klar als solche erkennbar ist, gilt diese Kennzeichnungspflicht nicht.
Bei „Das Wien“ scheinen diese Regeln außer Kraft. Nur in sehr seltenen Fällen werden Beiträge als korrekt gekennzeichnet oder sind durch besondere Schrifttypen und Layout als solche erkennbar. Ist also davon auszugehen, dass Beiträge von THC- und FPÖ-Personen in „Das Wien“ redaktionelle Beiträge sind, dass also die Redaktion diesen rechtsextremen Parteien ganz bewusst einen von ihr gestalteten Raum einräumt?
Der „Pluralismus“ der Redaktion drückt sich darin aus, dass neben dem THC auch die FPÖ viel Platz für ihre rechtsextremen Positionen erhält. Als etwa Herbert Kickl nach Nickelsdorf reiste, um dort auf die von ihm behauptete „Völkerwanderung“ mit ‑völker- und menschenrechtswidrigen-Push-Back- Forderungen antworten zu können, dann sah das zwar wie ein redaktioneller Beitrag aus, blieb aber ohne jede einordnende Bemerkung. Immer wieder durfte auch Dagmar Belakowitsch Seiten füllen – ohne Kennzeichnung als bezahlte Einschaltung.
Städtische Betriebe als Inserenten
Was sagen eigentlich die inserierenden Firmen dazu, wenn so offen und unverfroren Werbung für rechtsextreme Parteien gemacht wird? Da wären wir beim nächsten Problemfeld. Es gibt über die letzten fünf Jahre gesehen nur einige wenige Unternehmen, die regelmäßig und in großem Umfang das Gratisblättchen mit ihren als PR erkenntlichen Einschaltungen sponsern: Das sind die Uhrenfirma Jacques Lemans, Murauer Bier und mit großem Abstand führend der Möbel-Gigant XXX Lutz. Fast immer sind es mindestens vier Seiten, auf denen XXX Lutz mit Inseraten präsent ist. Bei 24 Ausgaben pro Jahr und einem Anzeigenpreis von 38.000 Euro (exkl. Steuern) für eine Doppelseite läppert sich das schon ordentlich, selbst wenn der übliche Mengenrabatt gewährt würde.
Dann gibt es aber noch einen potenten Inserenten, der nicht immer durch klare Kennzeichnung zu erkennen ist: die Stadt Wien. Wien Holding, Mozarthaus Vienna, Therme Wien, ARWAG, Gesiba und Flughafen Wien haben in einer einzigen Ausgabe (Nr. 4/24) Beiträge erhalten und Inserate geschaltet und dafür vermutlich auch bezahlt. Als Werbung waren nicht alle dieser Einschaltungen erkennbar. Das ist aber das geringere Problem. Das größere ist die politische Schlagseite.
Wir fragen uns: Warum inseriert die SPÖ-geführte Stadt Wien in einem Gratisblatt, das nicht bloß Rechtsextremen eine Bühne bietet, sondern in vielen (nicht allen) redaktionellen Beiträgen deutlich rechte Positionen bezieht und auch gegen den aktuellen SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler kampagnisiert.
![Kampagnenjournalismus von "Das Wien" – gegen Babler](https://www.stopptdierechten.at/wp-content/uploads/2024/06/Das-Wien-gegen-Babler-300x189.jpg)
Von Rot-Blau …
Nachdem „Das Wien“ 2010 gegründet wurde, war es in den ersten Jahren ein biederes und buntes monatliches Gratis-Magazin. Politik in homöopathischer Dosis und pflegeleicht. Das war anscheinend nicht erfolgreich, denn 2013 folgte eine Insolvenz der Herausgebergesellschaft und ein Relaunch, der eine Annäherung an das heutige Erscheinungsbild, aber vor allem viel Text von und mit der Stadt Wien brachte. Oft im Bild: die SPÖ-Mitglieder der damaligen Stadtregierung. Dann folgte eine Phase, die vom Blog „Semiosis“ 2017 zutreffend als „Das Wiener rot-blaue Zeitungsexperiment“ betitelt wurde:
Auf ganzseitige Interviews mit Wiens Noch-Bürgermeister Michael Häupl und Bundeskanzler Christian Kern folgen Interviews mit FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache und dem Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus. Wer sich von diesen Interviews kritische Fragen oder neue Erkenntnisse erhofft, wird enttäuscht. Im Medienbetrieb werden solche Interviews auch als Mikrofonhalter-Interviews bezeichnet. Denn eigentlich bräuchte es dafür keinen Journalisten, sondern bloß ein Mikrofon. Die Positionen der Interviewten werden unhinterfragt wiedergegeben, die Fragen wirken teilweise wie aufgelegt.
… zu Blau-Rot
Die Regierungsbeteiligung der FPÖ 2018/2019 veränderte die Priorität auf „Blau-Rot“. FPÖ-Vizekanzler Strache verschaffte „Das Wien“ und seiner fast identen Schwester „Das Kärnten“ allein zwischen Mitte Februar 2019 und Ende Mai 2019 Inserate um rund 90.000 Euro, wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Sabine Schatz hervorgeht. Rechnet man noch das dritte Medienprodukt aus dem Hause Heinz Knapp, den „Wirtschafts- und Kommunalführer für die Stadt Wien“ dazu, waren es rund 100.00 Euro für Einschaltungen des Strache-Ministeriums in rund drei Monaten. Erklärt das schon die deutliche Sympathie für Strache und sein THC? Auch für die FPÖ?
Die SPÖ
Was die Haltung zur SPÖ betrifft, so kommt in den redaktionellen Beiträgen eine deutliche Antipathie gegenüber deren Chef, dem „linkssozialistischen Babler, der sich mit hilflosen Floskeln durch die diversen Interviews turnt“ (Das Wien, 5/24) zum Ausdruck. In der Folgenummer 6/24 werden schon Gerüchte lanciert, dass Babler mangels „erwünschter Rückendeckung“ nach der EU-Wahl ausgetauscht werden soll. Die Sympathie von Herausgeber Knapp gilt eindeutig dem „überaus smarten und attraktiven Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke“: „Weltgewandt, gebildet, eloquent, elegant, sozialdemokratisch – schlicht kanzlertauglich“ (5/24).
!["Das Wien" zu Hanke versus Babler (5.3.24, S. 2)](https://www.stopptdierechten.at/wp-content/uploads/2024/06/Das-Wien-Babler-Hanke-5.3.24-253x300.png)
Die Grünen
Während bei der SPÖ noch schwärmerische Gefühle für die fütternde Hand bzw. Hanke durchbrechen, sind über die Grünen, diese „Chaostruppe“ und „Weltverbesserungssekte“, nur mehr negative Emotionen zu lesen. Um das absolute Feindbild, die „ideologiegetriebene“ „Weltverbesserungsministerin“ Gewessler mit ihren „ökomarxistischen Wahnsinnsplänen“ schlechtzureden, wird ihr auch ein Fake-Zitat unterschoben: „19 Grad reichen in der Wohnung.“ Das hat Gewessler zwar nie gesagt, es passt aber zur Blattlinie.
![Kampagnenjournalismus von "Das Wien" – gegen Gewessler](https://www.stopptdierechten.at/wp-content/uploads/2024/06/Das-Wien-gegen-Gewessler-238x300.jpg)
In der Nr. 1/24 wird besonders heftig gehetzt. Unter dem Titel „Totalitäre Ideen sind nun ein Stück weit Beiwerk grüner Ideologien“ wird zunächst einmal Vizekanzler Kogler abgemahnt, weil der es gewagt hatte, die FPÖ als den parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus zu bezeichnen. „Erstaunlich“ nennt diese Aussage der anonyme Autor, seien es doch die Grünen gewesen, „die etliche Grenzen des Rechtsstaates deutlich überschritten“ hätten und mit „totalitären Ideen“ aufgefallen seien.
![Kampagnenjournalismus von "Das Wien" gegen Grüne](https://www.stopptdierechten.at/wp-content/uploads/2024/06/Das-Wien-gegen-Gruene-300x86.jpeg)
Dann wird schwerstes Geschütz aufgefahren: Die „grüne Weltverbesserungsministerin Gewessler bricht ein Gesetz nach dem anderen“, „ebenso bedenklich die Amtsführung der grünen Justizministerin Alma Zadic, die laut Meinung von Ministeriumsinsidern eine Gefahr für den Rechtsstaat darstellt“.
Gesundheits- und Sozialminister Rauch, dem „totalitäre Fantasien“ unterstellt werden, wurde schon in der Ausgabe 20/23 im Editorial von Herausgeber Heinz Knapp politisch vernichtet, weil er mit seinen grünen Amtsvorgängern das Gesundheitssystem „offenbar schon völlig an die Wand gefahren“ habe. Dass die langen Wartezeiten in Spitälern und im ambulanten Bereich weit mehr im Verantwortungsbereich der Länder und der Kassen liegen – was kümmert das den Herausgeber?
Postfaschistin als Vorbild
Es gab aber neben den Grünen noch andere, die das Blatt als totalitär brandmarkte: „Kurz und Kogler basteln an einer DDR 2.0“, war da während der Pandemie in der Kolumne „Bassena-Tratsch“ zu lesen. Das Resümee:
Auf der einen Seite die ÖVP, die das Dollfuß-Bild in ihren Klubräumlichkeiten noch immer nicht abgenommen hat, und auf der anderen Seite die Grünen, die Teils (sic!) aus linksradikalen Studentengruppierungen entstanden sind. Quasi eine austrofaschistisch-kommunistische Allianz.
Auch wenn sich einige ÖVP-Politiker nur ungern von Dollfuß lossagen wollten, ist Fakt, dass das Dollfuß-Porträt 2017 ans Museum Niederösterreich übergeben wurde. Apropos „Faschismus“: Die Postfaschistin Giorgia Meloni wird für ihre Politik nicht nur ausdrücklich belobigt, sondern auch als Vorbild für Österreich angedient: „Die charmante Giorgia Meloni wirkt. Warum schaffen wir das nicht auch bei uns?“ (22/22)
Die Antifa
Auch gegen die Antifa, also gegen alle, die am antifaschistischen Grundkonsens der Republik festhalten, hetzt „Das Wien” los. In der Nummer 13/20 wird unter dem Titel „Die USA versinken im Chaos: Schwere Ausschreitungen“ berichtet, dass der damalige Präsident Trump die „Antifa“ für Gewalt bei den Protesten nach der Tötung von George Floyd verantwortlich gemacht hatte. „Das Wien“ dachte darüber nach, was aus der von Trump proklamierten Einstufung der Antifa als Terrororganisation für Österreich zu folgern wäre und konnte eine diebische Freude nicht unterdrücken:
Hier beginnt es allerdings lustig zu werden. Denn wenn Trump seine Ankündigung wahr macht und die Antifa tatsächlich zur Terrororganisation erklärt, dann werden wohl einige Grüne und Rote auf der Watchlist landen und nicht mehr in die USA einreisen dürfen. (…) Hier rächt es sich jetzt, dass die gewaltbereite Antifa seit vielen Jahren in Österreich und ganz Europa verharmlost wird.
Meloni, Strache, Kickl und Co gut, ein bisschen auch der „elegante” und „attraktive” SPÖ-Stadtrat Hanke (jedenfalls solange Inseratengelder von stadteigenen Firmen fließen), Antifa, Babler und Grüne links, totalitär und pfui – das ist knapp gefasst die Redaktionslinie.
„Das Wien“ ohne Redaktion
Wer schreibt die redaktionellen Beiträge? Oder sind die redaktionellen Beiträge gar keine, sondern nicht gekennzeichnete PR-Einschaltungen anonymer Förderer? Früher einmal existierte bei „Das Wien“ so etwas wie eine Redaktion. Es wurden auch zeitweise Namen im Impressum oder in Recherchen angegeben. Früher gab es auch eine Redaktionsadresse in Wien. Seit einigen Jahren wird nur mehr eine Redaktionsadresse in Klagenfurt angegeben, von wo aus „hautnah und direkt am Geschehen“ „Das Wien“ und „Das Kärnten“ befüllt werden. Gedruckt wird in Prag. Als Herausgeber wird genannt: Die Agentur, Unabhängige Wochenzeitung, Heinz Knapp. Dass unter diesen Angaben im Firmenregister nichts zu finden ist, hinterlässt uns etwas ratlos, ist jedoch nützlich für den oder die Eigentümer.
So können wir auch die Frage nicht beantworten, wer – außer dem Herausgeber, Strache, den Kolumnisten Karl Ploberger (Garten) und Peter Weitzel (Finanzen/Steuer) – redaktionelle Beiträge verfasst. Ist da noch jemand?