Linz: Hitlerei in der Altstadt
Innsbruck: Jesus und Hitler-Bärte
Graz: Freispruch im Zweifel
Linz: Hitlerei in der Altstadt
Vor Jahren waren einzelne Lokale in der Linzer Altstadt ziemlich verrufen: viele Schlägereien, viele Neonazis dabei. Wiederholt sich das jetzt wieder, oder gab’s da ohnehin nie eine Pause? Am 3.4.24 musste sich Julia R. (28) vor einem Geschworenensenat beim Landesgericht Linz als Angeklagte verantworten. Sie hatte im August des Vorjahres in einem dieser Altstadtlokale nicht nur ordentlich gezecht, sondern einem anderen Lokalbesucher einen weißen Spritzer ins Gesicht geschüttet, worauf sich der dadurch revanchierte, indem er ihr ein Bier über den Kopf leerte. Dabei habe die Angeklagte anscheinend aber auch den Hitlergruß gezeigt und rechtsextreme Parolen gebrüllt.
Nach der gegenseitigen alkoholischen Taufe ging der Streit weiter. Mit einem Begleiter verließ der angespritzte Kontrahent zwar das Lokal, wurde aber von der nacheilenden Angeklagten auf der Straße gestellt und mit einer Flasche, die ihm über den Kopf gezogen wurde, attackiert. Unsere Prozessbeobachtung notierte dazu:
Dessen Begleiter hat das abzuwehren versucht, die Flasche hat den Kopf nur leicht getroffen und eine kleine Schnittverletzung verursacht, die Hand des Zweiten wurde aber zerschnitten, und am Handrücken wurde eine Sehne verletzt, und er musste genäht werden. Das ist auf einer Überwachungskamera festgehalten. Ein Zeuge hat das zum Teil mit dem Handy gefilmt, und da ist klar zu hören, wie die Angeklagte brüllt: Du gehörst vergast. Du Asylant gehörst vergast, Solche wie Dich haben sie im Zweiten Weltkrieg alle vergast.
Julia R. wurde von der herbeigerufenen Polizei festgenommen und verbrachte drei Tage in Haft, bestritt aber alle geschilderten Vorkommnisse. Auf die Videos reagierte sie mit einem Tatsachen‑, nicht aber mit einem Schuldeingeständnis. In der Verhandlung setzte sich das fort. Die Angeklagte, die bereits 2021 eine Vorstrafe ausgefasst hatte, wollte sich nicht erinnern können, gab sich entsetzt über sich, betonte, dass sie nicht so sei und schluchzte viel.
Der vorsitzende Richter hält ihr entgegen, dass ihre Alkoholisierung und Berauschung gar nicht so hoch gewesen sei. Auf die Einvernahme von Zeugen wird verzichtet, was im Endeffekt der Angeklagten bei der Schuldfrage zu ihrer Hitlerei im Lokal zugute kommt. Die Geschworenen verneinen ihre Schuld nach § 3g Verbotsgesetz im Lokal, bejahen sie aber bezüglich ihrer Nazi-Parolen auf der Straße. Dazu kommen noch die einstimmige Bejahung ihrer Schuld wegen vorsätzlicher versuchter schwerer Körperverletzung und ebenso wegen fahrlässiger Körperverletzung. In der Summe bedeutet das für die Angeklagte 24 Monate Haft, davon acht Monate unbedingt – noch nicht rechtskräftig.
Innsbruck: Jesus und Hitler-Bärte
Zwischen dem September 2018 und Februar 2022 soll der Kufsteiner (35), der sich vor dem Innsbrucker Landesgericht wegen NS-Wiederbetätigung verantworten musste, 30 Nachrichten mit eindeutigen NS-Bezügen verschickt haben. „In einem reiste etwa Jesus ins Jahr 1934 und „verwandelte“ sich dort in Adolf Hitler, andere verglichen den „Aufstieg mit Gas“ von Felix Baumgartner mit Hitler – völlig irre Gedankenwelten. Gleich mehrfach verschickte der Angeklagte außerdem – an Einzelpersonen und in Gruppenchats – Fotos von sich mit einem zum „Hitlerbart“ gestutzten Oberlippenbart“, berichtete die „Krone“ (3.4.24) über die Anklage.
Nicht nur Jesus erhielt einen Hitler-Bart, sondern auch die Bekannten des Angeklagten aus der Skater-Szene, denen er so bearbeitete Porträtfotos weiterschickte. Daneben zog er aber auch den Holocaust in den Vernichtungslagern der Nazis ins Lächerliche. Wie verantwortete sich der Angeklagte? „Nicht nachgedacht“! Das nahm ihm aber der vorsitzende Richter nicht ab: Vier Jahre lang nicht nachgedacht?
„Nach recht kurzer Beratung entschieden die acht Geschworenen auf Wiederbetätigung. Der Unterländer wurde – nicht rechtskräftig – zu 6000 Euro unbedingter Geldstrafe sowie zu zehn Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Ob es ihm das eine dauerhafte Lehre ist?“ (Krone, 3.4.24)
Graz: Freispruch im Zweifel
Der Prozess wegen des Verdachts der Verhetzung fand schon am 22. März 24 vor dem Landesgericht Graz statt, hat uns aber erst in der Vorwoche erreicht. Wie wichtig dieser Bericht ist, zeigt schon die einleitende Anmerkung: kein Publikum, keine Zeug*innen. Also keine Öffentlichkeit vorhanden. Aber was war denn eigentlich angeklagt?
Albert G. soll das Facebook-Posting eines deutschen Fernsehsenders (mutmaßlich zu Flucht, Seenotrettung) so kommentiert haben: „Man sollte das Schiff mit den Passagieren einfach versenken.“ Das begründet sehr deutlich den Verdacht der Verhetzung. Aber hatte Albert G. diesen hetzerischen Kommentar tatsächlich selbst geschrieben? G. bestreitet das jedenfalls, gibt an, dass er gar kein besonderes Interesse an solchen Fragen habe, sich auch nicht sonderlich für Politik interessiere. Sein Facebook-Profil verwende er eigentlich nur, um seine Fahrradtouren zu dokumentieren.
Bei Albert G. wurde allerdings eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei der gleich mehrere Handys, zwei Laptops und einige USB-Sticks sichergestellt wurden, auf denen allerdings das fallrelevante Posting nicht entdeckt wurde. Der Angeklagte macht Identitätsdiebstahl geltend: Das Handy, von dem aus er Facebook immer genutzt habe, sei ihm bei einer Fahrradtour verloren gegangen, woraufhin er eine neue SIM-Karte besorgt und sein Facebook-Konto gelöscht habe.
Der Gutachter, der einvernommen wurde, um G.s Angaben auf Plausibilität und technische Machbarkeit zu überprüfen, müht sich wirklich redlich ab und kommt zu der Erkenntnis, dass ein Missbrauch durch andere faktisch ausgeschlossen werden könne, aber theoretisch, mit sehr, sehr viel Aufwand doch denkbar sei. Die Verteidigung wird durch unsere Prozessbeobachtung so zitiert:
Sachverständige konnte keinen technischen Beweis bringen, dass der Angeklagte das Posting selbst abgesetzt hat. Aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund dürfte jemand ein Fake-Account im Namen des Angeklagten angelegt hat und mit Bildern, die er vom tatsächlichen FB-Account des Angeklagten heruntergeladen hat, bespielt.
Auch wenn das wie ein Märchen klingt, das Märchen konnte nicht zu 100 Prozent widerlegt werden, so der Richter. Daher Freispruch im Zweifel.